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Das Wagnis Geburt

…und was hat das mit Katzen zu tun?

„Katzen gelten als gute Gebärerinnen. Und alle, die Katzen kennen, wissen, dass Katzen zum Gebären Ungestörtheit und Ruhe brauchen, z.B. in einem kuscheligen Korb in einer dunklen Ecke hinter dem Kleiderschrank. Wenn eine Katze sich beim Gebären gestört fühlt, kann es passieren, dass die Kontraktionen aufhören oder sogar, dass sie ihre Jungen nicht annimmt.

Und jetzt stellen Sie sich vor, dass eine Gruppe von gut meinenden Wissenschaftlern sich vor langer Zeit vorgenommen hat, das Gebärverhalten von Katzen zu untersuchen. Und so begann ein Experiment:

Natürlich mussten die Katzengeburten zu Studienzwecken zunächst vom kuscheligen Korb hinter dem Kleiderschrank ins Labor verlegt werden. Dieses Labor war geschäftig, hell und steril. Für eine genaue Überwachung wurden die Katzen mit vielen Kabeln an Monitore angeschlossen und für einen bequemen Handlungsspielraum auf erhöhte rundum zugängliche Tische gelegt. Auch bekamen die Katzen für ein eventuelles Eingreifen prophylaktisch einen venösen Zugang gelegt. Den Katzen unvertraute Labormitarbeiter gingen Tag und Nacht ständig ein und aus, um jeden Moment des Geburtsverlaufes genauestens zu dokumentieren.

Nun lieferte die Studie bedauerlicherweise bedenkliche Ergebnisse. Es zeigte sich, dass die beobachteten Katzen häufig nur schlecht gebären konnten, dass die Geburtsarbeit überwiegend unkoordiniert verlief, dass die Geburten lange dauerten, manchmal mittendrin abbrachen und in Folge dessen auch die Herztöne der ungeborenen Kätzchen regelmäßig schlecht wurden, medizinische Interventionen oft notwendig wurden.

Die Wissenschaftler kamen zu dem Schluss: Es scheint, dass Katzen nicht gut gebären können.

Da sie aber nur die besten Absichten hatten, entwickelten sie nun für die gebärenden Katzen eine Vielzahl an medizinischen Hilfen. Sie gaben Medikamente – wahlweise zur Wehenförderung oder zur Wehenhemmung, zur Schmerzlinderung und zur Beruhigung. Sie erdachten Untersuchungsmethoden zur kontinuierlichen Kreislaufüberwachung oder um die Sauerstoffversorgung der Katzenbabys zu kontrollieren. Sie wandten Gerätschaften und Notfalloperationen an, um Katzen und ihre Jungen erfolgreich durch die Geburt zu bringen.

In wissenschaftlichen Papieren berichteten die Wissenschaftler über die Schwierigkeiten der Katzen beim Gebären und gleichzeitig über ihre eigene hoch entwickelte, effiziente Geburtstechnologie und wie viele Katzen und Jungen sie damit hatten retten können.

Dies wurde in den Medien veröffentlicht und bald brachten alle Katzenbesitzer, die ihre Katzen liebten, diese zur Geburt ins Labor, denn schließlich galt es nach neuesten Erkenntnissen als der sicherste Ort.

Das Labor wurde im Laufe der Jahre immer wieder erweitert. Es wurde mehr Personal angestellt und schließlich wurde sogar eine Kostenübernahme durch die Tier-Krankenversicherungen erreicht.

Irgendwann ging die erste Generation der Wissenschaftler in den Ruhestand.  Leider wusste die zweite Generation nichts mehr vom ursprünglichen Experiment. Sie wussten nicht einmal, dass das Ganze nur als Versuch gestartet war. Sie hatten noch nie erlebt, wie Katzen an einem einsamen Platz im kuscheligen Korb ihre Jungen zur Welt brachten – wieso auch? Was für eine gefährliche Idee!

Mit jeder Generation ging dann mehr Wissen über die natürliche Geburt verloren…“

Kommen wir zurück in die Realität:

Katze
Katze
Zurück zur Wirklichkeit
der Säugetiere auf zwei Beinen
  • 98% aller Kinder werden in Deutschland im Krankenhaus geboren.
  • Nur rund acht Prozent der gesunden Schwangeren erleben eine Geburt ohne medizinisches Eingreifen, also ohne Interventionen wie z.B. Wehentropf, Dammschnitt, Saugglocke, Schmerzmittel, PDA, Fruchtblaseneröffnung, Blutentnahme vom kindlichen Köpfchen unter der Geburt. Dauer-CTG, regelmäßige Muttermundkontrolle und venöser Zugang sind dabei nicht eingerechnet.
  • Heutzutage wird jede dritte Geburt mit einem Kaiserschnitt beendet.
  • 25% aller Geburten werden künstlich eingeleitet.
  • Die häufigste Gebärposition in der Klinik ist die Rückenlage. Die beliebteste Position von Frauen bei einer Hausgeburt ist dagegen der Vierfüßlerstand.
  • Die aktuellen Daten der QUAG – Gesellschaft für Qualität in der außerklinischen Geburtshilfe e.V. belegen, dass eine Geburt für eine gesunde Schwangere und eine normale Schwangerschaft in der Klinik nicht automatisch sicherer ist. Das Outcome von Mutter und Kind sind bei einer Hausgeburt ebenso gut.

 

Die Katzenfabel soll zeigen, wie schnell ein natürlicher Prozess bei einer gesunden Gebärenden technologisiert, pathologisiert, kontrolliert und fremdbestimmt werden kann.

Dabei ist eine Geburt ein natürlicher Vorgang, in welchem Hormone und Körperfunktionen fein aufeinander abgestimmt funktionieren – und das von ganz alleine. Dieser Prozess ist empfindlich und störanfällig.

Frauen brauchen Ruhe, Ungestörtheit, Vertrauen, Selbstbestimmtheit und sensible und trotzdem kompetente Betreuung.

Meine Aufgabe als Hebamme ist es, alle Frauen, die gesund sind und eine normale Schwangerschaft durchlaufen – und daher auch eine normale Geburt erwarten dürfen – darin zu bestärken, eine möglichst natürliche Geburt anzustreben.

Und selbstverständlich gehören dagegen alle pathologischen Schwangerschaften  sowie kranke Schwangere/Ungeborene nach wie vor in eine Klinik.